Seit dem Beginn des Onlinehandels hat sich das Exklusive der Friseurexklusivität etwas relativiert. Die Versuche der Industrie, das Problem zu beherrschen, ähneln dabei der Quadratur des Kreises. Wir haben mit Friseuren, Industrie und Großhandel gesprochen.
Kürzlich wurde in der OVERHEAD-Redaktion groß eingekauft. Wir statteten unterschiedlichen Online-Händlern virtuelle Besuche ab, um uns mit aktuellen Produkten einzudecken. Die Einkaufsliste liest sich dabei wie das Who is who der Industrie: Paul Mitchell, Goldwell, L´Oréal, Redken, Glynt, Kérastase und Shu uemura wanderten innerhalb kürzester Zeit über den Online-Ladentisch großer Shops. Dank der Vernetzung aller Daten heutzutage reichten dazu gerade mal ein paar Klicks, den Rest erledigten Shop und Paypal in trauter Zweisamkeit. Einziger Wermutstropfen dabei: Es handelte sich ausschließlich um friseurexklusive Produkte. Und auch wenn wir die OVERHEAD-Redaktion sind: Friseure sind wir keine.
Damit stellt sich aber eine Frage, die auch vielen Stylisten schon seit geraumer Zeit unter den Nägeln brennt: Was ist die Friseurexklusivität noch wert, wenn sich Hinz und Kunz entsprechende Produkte problemlos per Mausklick ins Haus holen können – vorbei an denjenigen, die sich hier ihr Know-how und ihre Dienstleistung in einem exklusiven Zusatzgeschäft bündeln können sollten: den Friseuren.
Enttäuschte Friseure
Eine – wenn auch reichlich pessimistische – Antwort hat der Grazer Stylist Gerhard Mayer: „Das Wort ,Exklusiv bei Ihrem Friseur‘ ist seit Jahren ungültig“, meint er und sieht den Friseur immer mehr als „Fußabstreifer der Industrie“. „Das Verkaufsgeschäft wird sich in den nächsten drei Jahren extrem reduzieren, und das ist nicht die Schuld der Friseure. Der Großhandel gewährt schon oft höhere Rabatte als ein kleiner Friseur zum Beispiel bei Wella oder L’Oréal bekommt. Bösartig wird die Sache dann, wenn Kunden sich beraten lassen, ein Handyfoto vom Produkt machen und dann im Internet kaufen“, ärgert er sich über die Situation. Ähnlich sieht das sein Wiener Kollege Werner Pranz: „Online wird billiger verkauft als ich einkaufe. Wir lassen uns da leider von den Firmen unter Druck setzen. Den Kunden kann man ja schließlich keinen Vorwurf machen, dass sie am billigsten einkaufen wollen.“ Und auch Rudi Meidl äußert sich eher pessimistisch: „Es ist die Zeit des Online-Handels, ich sehe da keine wirkliche Möglichkeit, dubiose Kanäle zu unterbinden. Friseurexklusivität ist nur eine Absichtserklärung, ein oder zwei Jahre später sieht alles anders aus. Beim Geld glaube ich nicht ans Gute im Menschen.“
Online-Händler als Friseur
Was sagen allerdings die Vertreter der Industrie oder der Großhändler dazu, und wie kommen die Händler überhaupt zu ihren Waren, die doch eigentlich nur bei Friseuren zu haben sein sollten? Zumindest Zweiteres lässt sich noch recht einfach beantworten: Viele Großhändler oder Onlinehändler sind auch Friseure, auch wenn sie vielleicht gerade mal einen kleinen Salon mit drei Bedienplätzen betreiben. Der Form ist damit Genüge getan und das Geschäft mit den Endkunden kann beginnen. Die Frage, wie exklusiv Friseurprodukte noch sind, entlockt Online-Händler Reinhard Schanes, der mit „Bellaffair“ einen der größeren Online-Händler und die BellAffair Beauty Lounge in Gamling betreibt, ein Lachen: „Es gibt auf der ganzen Welt keine exklusiven Dinge mehr, alles ist online zu bekommen.“ Der Schlüssel zu seinem Geschäft ist der hohe Rabatt, bedingt durch die großen Mengen, die er kauft. So kann er dann auch die Spanne niedriger ansetzen: „Wir haben eine Spanne von zehn, 20 oder 30 Prozent, der Friseur schlägt hundert Prozent auf. In meinem Salon Cult verkaufe ich Fudge aber auch teurer – das geht, wenn Beratung und Ambiente passen. Der Verkaufsanteil ist in Österreich durchschnittlich drei bis vier Prozent, also die Guten zehn und andere gar nichts“, glaubt er, dass vor allem jene Kritik am Online-Handel üben, die selbst kaum verkaufen.
Spagat zwischen Salons, Kunden und Großhandel
Wie heikel das Thema auch bei der Industrie ist, wird bei einem Anruf bei Ingmar Frieling von Matrix klar. Er will sich dazu nicht äußern und verweist auf seinen „Boss“, L’Oréal-Österreich-Chef Christophe Schmutz. Dieser versucht mit seinem Unternehmen den Spagat zwischen den Interessen von Salons, Kunden, Großhandel und E-Commerce: „Der Verbraucher sucht selektive Produkte und möchte das Angebot rund um die Uhr zur Verfügung haben.“ Das schaffe nur der Online-Handel: „Wir müssen auch das Online-Erlebnis bieten.“ Für die Handelspartner von L´Oréal gibt es dabei klare Kriterien: Zum einen müssten alle Online-Händler auch einen Salon haben, zum anderen müssten sie sich an einen strikten sogenannten selektiven Vertrag halten und die festgelegten qualitativen Kriterien hinsichtlich der jeweiligen Marke beachten. Großhändler sieht Schmutz dabei als „Partner und Verlängerung unserer Vertriebsmannschaft“. Marken wie Kérastase, Shu uemura oder Redken seien allerdings friseurexklusiv.
Doch was sollen Friseure tun? „Der Friseur sollte sein Vertrauensverhältnis nutzen, um Produkte auch für zuhause bieten zu können“, rät Schmutz. Zusätzlich bietet L´Oréal über eine eigene Abteilung Unterstützung beim Aufbau eigener Shops, zum Beispiel bei der Produktpräsentation, bei der Umsetzung von Markenwelten oder Produktphilosophie. „Wir wissen, wie der Endverbraucher tickt, und wir unterstützen unsere Kunden dabei, das Erlebnis an den Endverbraucher zu bringen“, erklärt er.
Online-Handel mit Salon oder Salon mit Online-Handel?
Ähnlich äußert sich auch Marco de Felice, Geschäftsführer von KAO Österreich und damit auch verantwortlich für Goldwell und KMS. „Der Online-Handel ist für die Friseure eine schwierige Sache“, erklärt er. „Doch wegbekommen wird man ihn nicht mehr.“ Nach wie vor liege allerdings die Expertise hinsichtlich der Haare, der Produkte und deren Anwendung beim Friseur. Problematisch sei es allerdings vor allem, wenn der Preis im Internet nicht mehr passe, rät er dazu, mit geeigneten Partnern zusammenzuarbeiten. Selbst betreibe man keinen aktiven Online-Handel und liefere nur an Friseure und den Friseurgroßhandel. „Bei uns bekommt nur Produkte, wer auch einen Salon hat. Und im Großhandel haben wir auch nicht alle Marken.“ Jedoch könne man nur den Erstvertriebsweg sicherstellen, der Zweitvertriebsweg sei für das Unternehmen de facto nicht zu überwachen. Zudem sei es auch häufig schwer, Online-Händler von Salons mit Online-Shops abzugrenzen, sobald man den Großhandel beliefere: „Betreibt ein Salon einen zusätzlichen Online-Shop oder ein Online-Händler auch einen oder mehrere Salons?“, verweist er unter anderem darauf, dass beispielsweise Hagel über mehr als ein Dutzend Salons verfügt und somit größer sei als so mancher „reinrassige“ Friseur. Kunden wie zum Beispiel HairHaus führten allerdings nur Marken, die für den Großhandel zugelassen seien.
BenefitLocals als Kompromiss zwischen Online- und Offline-Handel
Ebenso wie Marco de Felice sieht auch Rene Röver, Marketingchef beim „Paul Mitchell”, Kemon- und Stagecolor-Vertriebspartner Wild Beauty, den richtigen Partner als essentielle Entscheidung des jeweiligen Friseurs. „Er sollte einen Partner haben, dessen Produkte nicht online erscheinen, und dieser Partner sollte nicht zweigleisig fahren: professionell und retail.“ Und nicht zuletzt sollte der Friseur vor Verletzungen der Exklusivität möglichst gut geschützt werden – ein Thema, dem Paul Mitchell und Wild Beauty viel Zeit und Geld widmen. So nimmt man dem Online-Handel allein schon dadurch den Wind zum Teil aus den Segeln, indem unter allen Umständen der gleiche Preis verrechnet wird, egal, ob online oder Salon, ob sechs oder 600.000 Stück: „Online-Shops bekommen keinen Rabatt, es gibt nur einen Preisvorteil von ungefähr 100 Euro beim Depotkauf.“
Und auch die beliebte Strategie der „Kundenbindung“ durch die Unterstützung bei der Saloneinrichtung fällt weg, die Margen sind immer gleich. Zudem versucht Wild Beauty, gegen Verletzungen der Exklusivität aktiv vorzugehen, für den Kampf gegen Grauware wurde eine eigene Mitarbeiterin abgestellt, wenn notwendig, wird auch abgemahnt. Nicht zuletzt wurden die Firmenanteile an Paul Mitchell in einem Fonds für die nächsten 365 Jahre mit der Friseurexklusivität verschränkt. Und da trotz allem online an den Umsätzen offline genascht wird, hat sich Wild Beauty das Konzept „BenefitLocals“ ausgedacht. „Unsere zertifizierten Online-Partner geben die Postleitzahl ihrer Kunden bei Paul Mitchell an und auf alle Salons im Umkreis von zehn Kilometern werden 15 Prozent des Umsatzes ausgeschüttet.“ Salons vor Ort sollen so am Online-Handel mitverdienen. Lediglich eine Marke scheint es weitgehend zu schaffen, tatsächlich friseurexklusiv zu sein. Der wichtigste Trick dahinter ist allerdings ein recht einfacher, wenn auch dem Geschäft nicht unbedingt zuträglich: La Biosthetique verkauft konsequent an keinen Großhändler und kauft überzählige Ware auch wieder zurück.
Was kann der Friseur tun?
Doch was für Strategien haben die Friseure selbst entwickelt, um sich gegen den Online-Handel zu stemmen? „Friseurexklusivität gibt es schon lange nicht mehr, außer man personalisiert sie als Eigenmarke“, gibt Peter Strassl eine mögliche Richtung vor. Die steirische Innungsmeisterin Doris Schneider hat damit jedenfalls schon gute Erfahrungen gemacht: „Online wurde ich immer unterboten, ich habe daher eine Eigenmarke machen lassen. Seither ist der Verkauf wieder deutlich angezogen.“ Doch ganz ohne Haken ist auch diese Strategie nicht. Darauf weist Glynt-Geschäftsführer Stephan Conzen hin: „Markenführung und -pflege sind aufwendig, private Labels sind daher für den Großteil der Salons nicht zielführend.“ Besser sei es, sich eine gute, bekannte Marke zu suchen und dieser die Markenpflege zu überlassen. Damit ist man dann zwar wiederum beim Problem des Online-Handels, dieses umgeht Glynt jedoch durch eine sehr enge Auswahl an Online-Partnern und die Vorgabe gleicher Preise für jede Art von Handel. Und tatsächlich gibt es online bei Glynt keine Abweichungen von den vorgegebenen Preisen.
Der Linzer Stylist Reinhard Schuller wiederum bindet seine Kunden mit besonders starker Beratung: „Wir haben ein eigenes Beratungstool und meine Kunden kaufen auch bei mir. Da müssen die Friseure wieder hin.“ Dem schließt sich auch der deutsche Stylist Christian Sieferlinger an: „Es wird immer dubiose Kanäle geben, aber wenn ich eine Kundin hier sitzen habe, verkaufe ich ihr auch das Produkt“, rät er bei zu geringem Verkauf dazu, in Schulung, Beratung und Service zu investieren.
Ein hundertprozentig wirksames Kraut gegen oder mit dem Online-Handel scheint jedenfalls nicht leicht zu finden zu sein. Friseurexklusivität wäre möglicherweise noch tatsächlich exklusiv, wenn zum einen die Industrie ihren Verkauf unter anderem an der Salongröße orientieren würde, und zum anderen auch in den Salons Beratung und Verkauf einen größeren Stellenwert erhielten.