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Menschen - Interviews

Sich seiner eigenen Möglichkeiten bewusst sein!

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Sich seiner eigenen Möglichkeiten bewusst sein!

Die Corona-Krise hält die Wirtschaft und auch die Friseurbranche seit nun über 1 ½ Jahren fest im Griff. Wie und ob man, trotz nunmehr 4 Lockdowns, doch noch positiv in die Zukunft blicken kann, darüber hat OVERHEAD mit Coach Regina Först gesprochen.

OVERHEAD: Liebe Regina, gerade als wir das Interview führen, ist Österreich nun im bereits vierten Lockdown. Das ist nicht nur eine wirtschaftliche Belastung für die Österreichischen FriseurunternehmerInnen und all ihren MitarbeiterInnen, sondern auch eine extrem psychische Belastung. Wie kann, oder soll man mit solchen Situationen am besten umgehen, bzw. kann man damit überhaupt noch umgehen?

Regina Först: Lieber Christian ich danke dir, dass du mit mir das Interview führst. Ich will die Situation, in der wir uns befinden, nicht klein reden, es ist für viele existensgefährdent und viele sind auch nervlich am Anschlag. Und trotzdem kann jeder von uns was tun in seinen Möglichkeiten. Es gibt ja das Gelassenheitsgebet von Reinhold Niebuhr: „Gott, gib mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“

Und hinsichtlich der aktuellen Situation ist das „erfreuliche“ – ja, man kann aus solchen Situationen nicht nur etwas lernen, sondern es gibt Möglichkeiten damit umzugehen. Als Kinder haben wir die Erfahrung gemacht, die äußere Realität bestimmt die innere Realität, das sehen wir ja auch schon bei unseren Eltern.

Das zieht sich ins Erwachsenenalter hinein. Es bringt uns aber keiner bei „außen bestimmt innen“ kann gar nicht stimmen. Denn von außen kommt eine Einladung zum Streiten, im Außen nimmt mir jemand die Vorfahrt, im Außen trennt sich jemand von mir, ich falle durch eine Prüfung usw. Natürlich gibt es einen Schreck, einen Herzschmerz, Erwartungshaltungen, Enttäuschungen usw. – doch was jetzt wichtig ist, ist zu erkennen, was ich selbst ändern kann. Denn was ich nicht ändern kann, dafür muss ich keine Zeit vergeuden, mich darüber aufzuregen. Und nachdem wir schon im Sommer wussten, dass der Winter kommt und es dann wieder schlimmer werden wird, wir aber dennoch auch da auf das Außen gehört und der Zuversicht vertraut haben, ist spätestens jetzt der Zeitpunkt, für sich selbst aufzustehen, ohne gegen andere zu kämpfen, denn die Gesetze kann ich ja nicht ändern, aber die psychische Belastung kann ich sofort ändern. Also ICH entscheide, ob ich mich darüber aufrege, mit anderen die Top 10 der Klagelieder singe und mich austausche, wem geht’s noch schlechter, usw.

Mein Tipp: Täglich zwei bis dreimal für 10 Minuten an die „Klagemauer“ zu gehen und Dampf abzulassen. Gar nicht zu fragen, was ist mein Anteil oder etwas zu hinterfragen, sondern einfach mal alles rauslassen. Und das ist der Unterschied: ich selbst entscheide wann ich dem Raum gebe und ich das tue. Danach ist es aber auch wieder gut und ich muss wieder auf die Lösung schauen: Was ist das, was ich machen kann? Ich kann dann wieder kreativ werden, auch mit anderen. Aber wichtig ist die Disziplin, das Meckern auch wieder sein zu lassen, sich von der äußeren Realität nicht so beeinflussen zu lassen.

OVERHEAD: Über 1,5 Jahre Krise haben nicht nur Druck hinterlassen, sondern auch schon tiefe Risse in der Gesellschaft. Es stehen Impfbefürworter Impfskeptikern und Impfgegnern gegenüber, es wird gegen Maßnahmen demonstriert, die Menschen gehen auf die Straße, Hasspostings sind an der Tagesordnung, usw. Das färbt auf die ganze Umgebung ab – auf die KollegInnen, auf Familie oder Freunde. Kann man hier etwas tun, um das überhaupt noch irgendwie zu „reparieren“?

Regina Först: Es ist sehr wichtig, in den eigenen inneren Frieden zu kommen. Mutter Theresa hat einmal gesagt: „Ich bin nie gegen den Krieg auf die Straße gegangen, sondern für den Frieden.“ Mein Resüme diesbezüglich ist, mich zu weigern, das Prinzip des Angstmachens, wie es insbesondere in den Medien präsentiert wird, zu akzeptieren. Denn mit Angst schaltet man in den Überlebensmodus: Kämpfen, Rennen usw. Daher müssen wir, wie schon gesagt, immer wieder in den eigenen Frieden gehen und aufstehen für die eigenen Werte wie auch für die Werte, die einem im Salon wichtig sind. Und in diesem Zusammenhang ist es jedoch auch wichtig, das Gemeinsame zu suchen, die Frage zu stellen: „Was verbindet uns?“

Ich respektiere den Menschen, aber nicht jedes Verhalten. Und menschlich verbindet uns vieles – wir müssen es jedoch aufgreifen und respektvoll damit umgehen. Damit kann ich für mich erkennen, dass die Krise nicht nur Trennendes hat, sondern auch Verbindendes. Du kannst jedoch nicht friedvoll empathisch sein, wenn du selbst in der Wertung bist – und der andere kann es auch nicht. Wenn zwei Menschen aufeinander geraten, die beide kämpfen, oder rennen oder ducken, dann brauchst du nicht loszugehen. Wichtig ist, raus aus diesem inneren Krieg – das macht auch krank und nimmt die Energie, um auch den Laden wieder nach vorne zu bringen, vielleicht auch zusammen mit anderen.

OVERHEAD: In Österreich gibt es ein ständiges auf- und ab. Keiner kennt sich mehr aus, was denn nun aktuell vorgeschrieben und gültig ist und das hat nicht nur zu einem riesen Vertrauensverlust in die verantwortliche Politik geführt, sondern auch zu riesen Angst und Unsicherheiten. Wie kann hier wieder Vertrauen und Motivation geschaffen werden, sowohl bei Mitarbeitern als auch bei Kunden?

Regina Först: Wir leben in einer Zeit die es uns ermöglicht, aus unzähligen Medienkanälen Informationen zu konsumieren. Wir müssen uns aber auch selbst in die Verantwortung nehmen. Faktenbasierte Informationen sind gut und wichtig. Aber täglich unzählige Medien, die wieder teils unterschiedliche Informationen verbreiten, zu konsumieren macht uns oft nur noch unsicherer.

Aber lieber Christian, bitte lass uns hier viel schneller auf die wundervolle Arbeit der Friseure kommen. Im Sinne von: Mein Rat ist klar – sich nicht verrückt machen zu lassen, sondern sich darauf zu konzentrieren, was möglich ist. Die Kunden freuen sich auf die Öffnung der Salons. Welche andere Branche kann das von sich behaupten. Also ist jetzt eine gute Zeit das Team darauf vorzubereiten, dass es jetzt nicht allein um Fachkompetenzen, sondern auch um Sozialkompetenzen geht. Um Nähe, Herzlichkeit und Wertschätzung. Diese wundervolle Branche hat diese einzigartige Möglichkeit.

Und damit kommt die Salonleitung, die Führungskraft ins Spiel. Sie hat jetzt die wunderbare Aufgabe, jeden einzelnen aus dem Team mitzunehmen, zu stärken und ein Team zu formen, das füreinander geht und Lust auf Kunden und Umsatz hat. Vom ICH zum DU zum WIR. Gerade im Salon ist das auch wichtig, wenn es um die Führungsqualität geht: Die Attraktivität als Chef hat dann halt auch Folgen für den Salon – ob die Mitarbeiter mitarbeiten und den Umsatz wieder reinholen wollen oder eben nicht. Daher ist es auch entscheidend, sich als Chef selbst zu hinterfragen und nötigenfalls auch zum Thema Sozialkompetenzen weiterzubilden, Stärken und Talente im Team zu entdecken. Und ja, auch jeden Tag am Morgen wie im Teamsport einen Kreis zu bilden und sich gegenseitig Zuversicht für den Tag zu geben. Diese positive Strahlkraft wirkt in den Salon hinein und strahlt auch auf die Kunden ab.

Auch im Kundenkontakt sollten wir positiv bleiben. Also nicht über die Krise reden – „Wie  ist es Ihnen in der Krise ergangen?“ oder „Wie denken Sie über die Krise?“ –, sondern, wenn der Kunde wieder da ist im Salon, ihn verwöhnen mit dem, worauf er sich freut. Das tut mir gut, und tut dem Kunden gut.

OVERHEAD: Ich danke dir herzlich für das Interview liebe Regina. Gibt es abschließend noch etwas, das du unseren LeserInnen gerne mitgeben möchtest?

Regina Först: Ich danke dir auch lieber Christian. Und ja, einen Satz möchte ich mitgeben: Da, wo deine Aufmerksamkeit hingeht, geht auch deine Energie hin, wo deine Energie hingeht, davon bekommst du mehr!

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